Porträt Christian Pomper

cooperative [r]evolution

Christian Pomper, wieso engagierst du dich ab sofort ehrenamtlich im Aufsichtsrat der BfG Genossenschaft?

Weil wir Alternativen im österreichischen Finanzwesen brauchen! Die Gründungsidee der BfG finde ich cool, diese Genossenschaft ist Teil eines neuen, solidarischen Wirtschaftssystems. Es ist mir daher eine Ehre, mich in diesem österreichweit einzigartigen Projekt einzubringen. Die BfG ist das erste Bankprojekt Österreichs, das ethische Prinzipien überzeugend und authentisch lebt.

 

Welche Aufgaben siehst du auf europäischer Ebene für das Projekt Bank für Gemeinwohl?

Für mich ist sie DIE Genossenschaft der Zukunft und könnte in Europa einer der wichtigsten Knotenpunkte bei der Neubelebung des Genossenschaftswesens sein. Wir könnten uns beispielsweise der europaweit agierenden fair.coop anschließen. Diese in Spanien gegründete Initiative schafft gerade ein offenes Wirtschaftssystem mit eigener Kryptowährung, eigenem Marktplatz und eigenen Crowdfunding-Formen – hier kann die BfG eine führende Rolle in Österreich und Europa einnehmen.

 

Welche Aufgaben wirst du in unserem Aufsichtsrat übernehmen?

Ich möchte der BfG ein Sparring–Partner sein und die Gründung des Zahlungsinstitutes unterstützen. Ich freue mich sehr, dass ich am Samstag im Rahmen der Generalversammlung einstimmig von den Genossenschafter*innen gewählt wurde, auch die Diskussion und die Fragen der fast 200 Anwesenden haben mir gezeigt, wie intensiv sich diese Community mit der Weiterentwicklung dieses Bankprojektes auseinandersetzt: Das ist eine von lebendigem Austausch getragene, inspirierende Gemeinschaft!

 

Du bist seit vielen Jahren im Genossenschaftswesen engagiert. Gewinnt diese Rechtsform heute an Aktualität?

Ich nenne es cooperative [r]evolution: Derzeit machen wir einen evolutionären Schritt in der Genossenschaftsentwicklung. Dafür muss man zuerst einen Schritt in die Vergangenheit gehen, zurück zu Raiffeisen, Schulze-Delitzsch und zur Rochdale Society. Vom 19. Jahrhundert springe ich direkt ins 21. Jahrhundert, das Thema Genossenschaft ist heute wieder topaktuell: Die Ideen der Freiheit, Sozialethik, Solidarität, Selbsthilfe und Selbstverantwortung – das ist zeitlos, damals wie heute. Außerdem ist das one-person-one-vote Prinzip zutiefst demokratisch.

 

In unserer Satzung ist festgelegt, dass jedes Mitglied eine Stimme hat, unabhängig von der Anzahl der Anteile.

Es können auch Mischformen sinnvoll sein. Beispielsweise kenne ich das Prinzip der Kurien, wo die Mitglieder kategorisiert werden, nach Gründer*innen, Nutzer*innen, Förderer*innen usw. und die Stimmen gewichtet werden können. Im Vergleich zu Kapitalgesellschaften, wo der Shareholder Value im Fokus steht, gilt in Genossenschaften der Member Value: nicht dividendenorientiert,  sondern auf das Mitglied fokussiert (sog. Förderzweck). Der Mensch steht im Mittelpunkt – als Kunde, Mitglied und Investor.

 

Du begleitest die genossenschaftliche Szene schon lange, was hat sich in den letzten Jahren entwickelt?

Es gibt spannende neue Player im österreichischen Genossenschaftssektor. Etwa das OTELO Netzwerk, die Vorarlberger ALLMENDA, den Rückenwind-Verband – zu letzterem haben sich im letzten halben Jahr mehr neue Mitglieder gesellt als beim ÖGV in den letzten zehn Jahren. Hingegen haben etablierte Kreditgenossenschaften wie Raiffeisen und Volksbanken ihre Innovationskraft verloren. Aufgrund der Zentralisierungstendenz der letzten dreißig Jahre fehlt heute die Mitgliedernähe und die ehemalige regionale Stärke. Wichtig wäre die Kommunikation mit den Mitgliedern. Nur Generalversammlungen abzuhalten ist zu wenig. Die Mitglieder sollen angeregt werden zu partizipieren, sich zu engagieren und sich mit den Werten der Genossenschaft zu identifizieren. Das ist das Erfolgsgeheimnis. Daher ist die BfG ein Anreiz, Kreditgenossenschaften neu zu denken.

 

Genossenschaftsbanken definieren sich über ihre Regionalität, früher war es zumindest so.

Aber in Europa gibt es immer weniger Kleinbanken, wichtig sind heute die 70 global tätigen Bankenkonzerne, für die die Basel-Regulatorien geschaffen wurden. Leider kennt die europäische Zentralbank EZB aber nur die Rechtsform der Aktiengesellschaft und möchte wohl nur solche beaufsichtigen. Die Kleinbanken sollten auf europäischer Ebene ihre Stimme erheben, um hier das Prinzip der Verhältnismäßigkeit einzufordern. Tausende Seiten an regulatorischen Basel-Vorschriften können von Kleinbanken nicht bewältigt werden, das Prinzip der Gleichbehandlung schafft hier Ungleichheit. Gemeinsam sollten wir maßgeschneiderte Rechtsnormen einfordern.

 

Du arbeitest seit deiner Studienzeit im Genossenschaftssektor. Ende vorigen Jahres hast du den Vorstand des ÖGV verlassen, was tust du jetzt?

Ich bin auf genossenschaftlicher Walz. Wir haben bereits 2015 die CrowdCoopFunding eG gegründet, heute haben wir 49 Mitglieder und zeigen, wie modern Genossenschaft sein kann. Wir bieten ein innovatives digitales Genossenschaftsregister und stellen Beratungsservices und alternative Finanzierungsinstrumente für Genossenschaften und andere kooperative Organisationsformen zur Verfügung. Wir haben eine möglichst schlanke Satzung entwickelt, deren Qualitätsmerkmal es ist, auf kompakten vier Seiten alles Wesentliche zu enthalten.

 

Foto: Andrea Karner