„Der Wandel kommt von unten oder gar nicht!“ -
Christina Buczko leitet die neu eröffnete Akademie für Gemeinwohl mit Bildungsangeboten zu Geld und Ethik
Christina, seit vier Monaten bist du im Team unserer Genossenschaft, was motiviert dich?
Das Finanzsystem ist eines der Fundamente unserer Gesellschaft und ich kenne kein anderes Projekt, das mit einem konkreten Gegenmodell an diesem Fundament kratzt. Eine Bank aus der Zivilgesellschaft heraus zu gründen, das ist außergewöhnlich. Denn der Wandel kommt von unten oder gar nicht! Wenn das Projekt erfolgreich ist, wird es beispielgebend wirken für alle, die Gesellschaft neu gestalten möchten.
Welche Ziele verfolgst du mit der Akademie für Gemeinwohl?
Die Akademie eröffnet einen Raum für kritischen Austausch und Begegnung rund um Finanzthemen. Das ist ein weißer Fleck in Österreich und der Bedarf an Aufklärung ist groß. Die wenigsten durchschauen, wie unser Finanzsystem funktioniert. Wir möchten den Mainstream-Diskurs verlassen und kritische Denker*innen einladen. Wir geben den Menschen Werkzeuge in die Hand, um unser Geldsystem zu hinterfragen und selbst aktiv zu werden.
Wieso gibt es in Österreich so wenige Räume für kritische Auseinandersetzung mit dem Finanzsystem?
An den Universitäten ist immer noch die neoklassische Wirtschaftstheorie tonangebend. Die Wirtschaftswissenschaften befinden sich in einer speziellen Situation: Sie möchten allgemein gültige Parameter definieren und sind aber eine unscharfe Sozialwissenschaft. Ich war selbst im Wissenschaftsbetrieb tätig: Die Themen und Ausschreibungskriterien haben sich sehr verengt, kritisches Denken wird kaum gefördert. Die herrschenden Machtinteressen finden auch Ausdruck in der Medienberichterstattung – wenn es etwa wiederholt heißt, hohe Löhne schaden der Wirtschaft. Es wird immer schwieriger, Dinge zu hinterfragen. Die Parteipolitik driftet nach rechts ab, die Interessen von großen Teilen der Bevölkerung finden sich kaum noch repräsentiert. Daher müssen wir selbst initiativ werden.
Ich glaube, dass Menschen grundsätzlich kooperationsbereite Wesen sind. „Jeder gegen jeden“, wie im Neoliberalismus gepredigt, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Hier möchte ich mit der Akademie für Gemeinwohl Antworten auf das Unbehagen der Menschen rund ums Finanzsystem bieten: Warum werden große Banken gerettet? Warum kauft die EZB Staatsanleihen?
Wie gefällt dir die Arbeitsatmosphäre in der Genossenschaft?
Der wertschätzende Umgang macht die Arbeit sehr angenehm. Bei Entscheidungsfindungen ist durch das soziokratische Organisationsmodell ein breites Maß an Mitsprache gewährleistet.
Wie geht es mit der Akademie im Herbst weiter?
Wir veranstalten Vorträge und Diskussionsveranstaltungen zu verschiedenen Themen sowie Workshops und Seminare, die eine vertiefte Auseinandersetzung zu einem Thema ermöglichen. Auch der Aufbau von Lehrgängen und Events für Schulen sind geplant. Themen werden unter anderem sein: die Auswirkungen des Finanzkapitals auf verschiedene Lebensbereiche, Bargelddebatte, Kryptowährungen, ethisches Banking, die Rolle der Banken im Klimaschutz und die Diskussion von Pro und Kontra zum Grundeinkommen. Die Akademie für Gemeinwohl versteht sich als Raum für Diskussion, Austausch und gegenseitiges Kennenlernen. In diesem Sinne möchte ich insbesondere unsere Genossenschafter*innen, aber auch all jene, die sich für die Hintergründe unseres Geld- und Finanzsystems interessieren, sehr herzlich dazu einladen, unsere Angebote zu nutzen!
Kurzvita:
Mag.a Christina Buczko, Studium der Soziologie und Politik in Wien Berufliche Stationen: AKNÖ, Menschenrechtsbeobachtung in Guatemala, Ökosoziales Forum Europa, Forschungstätigkeit bei SERI Nachhaltigkeitsforschungs und -kommunikations GmbH. Seit März 2017 Leitung der Akademie für Gemeinwohl.
Foto: Genossenschaft für Gemeinwohl