Droht dem Bargeld das Aus?
21.11.17: Akademie für Gemeinwohl, in Kooperation mit der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und Der Standard
Die Österreicherinnen und Österreicher lieben ihr Bargeld, wie Keynote Speaker Univ. Prof. Guido Schäfer von der Wirtschaftsuniversität Wien gleich eingangs klar macht. Rund 85% der Transaktionen im Einzelhandel erfolgen bar, ein hoher Wert für ein Industrieland wie Österreich. 35% der Erwachsenen bezahlen nie mit Bankomatkarte, ganze 25% heben Geld nur am Bankschalter ab. Bei ärmeren, weniger gebildeten Schichten steigt der Wert der Bargeldzahlenden auf 70%.
Diese Präferenz weist auf den ersten Blick wenig volkswirtschaftliche Räson auf, denn die physische Manipulation des Bargeldes, das Nachzählen, auf die Bank Tragen usw. macht Zahlungen über 2 Euro teurer als das einfache Bezahlen mittels Elektro-Impuls.
Doch Bargeld hat unbestreitbare Vorteile:
- Bargeld ist unabhängig von elektronischer Infrastruktur
- Bargeld ist unabhängig von der Stabilität der Banken
- Bargeld ist unabhängig vom Besitz eines Bankkontos
- Bargeld ist unabhängig von der digitalen Kompetenz der Nutzer*innen
Bargeld verfügt also über einiges an Krisenfestigkeit. Darüber hinaus gibt es berechtigte Sorgen zum Datenschutz im Fall einer Bargeldabschaffung. Allerdings spricht auch einiges für Digitalgeld:
- Bargeld verursacht beträchtliche volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von rund 0,36 Prozent des BIP.
- Durch mehr digitale Bezahlung wären deutliche Kosteneinsparungen zwischen ca. € 150 und € 300 Mio. pro Jahr möglich.
Der wirtschaftliche Druck auf Banken steigt, einen größeren Teil dieser Kosten an die Kund*innen weiterzugeben. In anderen Ländern (z.B. Schweden) haben Notenbanken eine aktive Rolle bei der Förderung der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs übernommen. In diesem Land spielten auch brutale Überfälle auf Geldtransporte eine Rolle.
Cash is King
OeNB-Direktor Kurt Pribil proklamiert: „Cash is King!“ Bargeld dürfe keinesfalls abgeschafft werden, sonst würden die Gebühren für Digitalgeld in die Höhe schnellen. Zudem sei Bargeld auch sicherer: Im letzten Quartal zog die OeNB rund 8.000 gefälschte Geldscheine aus dem Verkehr, deutlich weniger als im Vorjahr. Auf 47.000 EUR kommt nur ein gefälschter, so Pribil. Trotzdem verschließe man sich Innovationen keineswegs: „Wir geben im Hause mehr für die Neuentwicklungen von Unbarem aus, als umgekehrt.“ Ein Beispiel sind Instant Payment - Sofortüberweisungen. „Überall dort, wo es pressiert, ist Unbares besser. Wir sehen uns dennoch als Hüter des Bargeldes.
Aber Bargeld ist teuer
Gerald Gruber von Mastercard Österreich macht sich vor allem für die Wahlfreiheit zwischen Bargeld und nicht-baren Zahlungsmethoden stark. Er präsentiert Daten, nach denen den monatlichen Zahlungen der Österreicher*innen vom Wert her nur noch zu 17% in Bar erfolgen. Gerade jüngere Menschen würden überwiegend digital bezahlen. Der Online-Handel wachse niedrig zweitstellig, der Einzelhandel niedrig einstellig. Gruber fordert, Österreich möge sich auf die Digitalisierung des Geldes besser vorbereiten und nennt das Beispiel eines Grazer Bäckers, der in einer seiner Filialen nur noch elektronisches Geld akzeptiert, nachdem er sich ausgerechnet hat, dass Manipulation, Verbuchung und der tägliche Transport von Bargeld ihn weitaus teurer kommen.
Digitale Innovation für alle Menschen?
Guido Schäfer: Digitalgeld umfasst immer mehr Lebensbereiche. Viele Produkte und Dienstleistungen können nur oder zu deutlich günstigeren Preisen online erworben werden. Das Bargeld muss jedenfalls erhalten bleiben, es hat eine wichtige Wertaufbewahrungsfunktion, aber es muss auch ein Anliegen der Zahlungsverkehrspolitik sein, die Bevölkerung breit in die Anwendungen des elektronischen Zahlungsverkehrs einzuführen. Empirische Daten zeigen deutlich, dass hier bereits heute eine soziale Kluft entlang von Bildung und sozialer Schicht besteht. „Es darf keine digitale Kluft entstehen, die unsere Gesellschaft spaltet“, schließt Schäfer.
Bericht im Standard:
Bargeldabschaffung bleibt für heimische Experten vorerst auf Eis
Foto: Genossenschaft für Gemeinwohl